Der Religionsflame
Jetzt muss ich exakt sein. Du hast gesagt, dass religiöse Menschen Gott in einer Weise für real halten, dass sie zu ihm beten. Das bedeutet für mich, dass sie Gott als Wesen das irgendwo in der Welt hockt denken. Und damit haben sie eine Vorstellung von Gott, die klarerweise aus "Gott existiert" auch tatsächlich ne Existenzaussage machen; für mich ist das dann irgendwelcher Kinderkrams, aber religiös ist es nicht gerade.
Die Beispiele, die von der Seite solcher Religionskritik kommen, müssen offenbar immer solche sein, die nicht nur ironisch überspitzen sondern die religiöse Situation total übersimplifizieren. Ihr bezieht euch erstaunlicherweise nie auf Leute, die über ihren Glauben reiflich reflektiert haben (was allerdings natürlich auch nicht automatisch heißt, dass sie da mein Konzept vertreten).
Ich möchte mal Beispiele für Sätze bringen, die Welt in einem bestimmten Sinne deuten; Sätze, die man als Kind vielleicht als metaphysische Tatsache versteht, die viel tiefer aber erst werden wenn man sie metaphorisch nimmt.
"Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.
Gott sprach: Es werde Licht."
"Der Mensch ist das Ebenbild Gottes."
"Er schuf Eva aus einer Rippe von Adam." (Ich bin mit der mittelbaren Aussage davon übrigens nicht einverstanden).
Kein Mensch, der älter als 12 ist und in nem normalen Elternhaus lebt, stellt sich unter diesen Szenen vor, dass da irgendson Geist über dem Wasser war und "Es werde Licht!" gegen so ne tosende Urflut geschrien hat. Und kein Mensch glaubt im ernst, dass Eva aus der Rippe von Adam geschaffen worden ist, oder sieht es bloß als Tatsache an, dass Gott mal im Schuppen stand und nen paar Haufen Erde zu Adam gemacht hat. Wenn man mal Beispiele nimmt, wo Leute ganz berühmte Bibelstellen nicht einfach ganz platt lesen, ist es doch auch sehr plausibel und nicht hinterweltlich, was ich sage. Dieselbe Operation, mit der wir aus "Er schuf Eva aus einer Rippe von Adam" etwas anderes als die Vorstellung von Gott, wie er das Skalpel an Adams Brustkorb anlegt, gewinnen (nämlich eine tiefere Bedeutung) muss nun auch bei Sätzen wie "Es gibt Gott" geleistet werden. Das ist eine riesen Aufgabe, und ich weiß auch nicht, wie man das metaphorisch ausdeuten könnte. Aber diese Aufgabe betrifft diejenigen, die das christliche Erbe religiös ansehen. Dass dies möglich ist glaube ich in jedem Fall; aber es ist hoch abstrakt.
Die Ansicht, nach der Religion eine Welterklärung ist, gibt sich selbst das riesen Rätsel auf: warum haben Leute daran geglaubt? Wenn Religion tatsächlich eine Welterklärung sein sollte, dann wäre es doch total idiotisch, völlig gegen die Wahrnehmung des einfachen Mannes gehende Sachen zu sagen. Die Ansicht, nach der Religion die Aufgabe einer Erklärung hat, macht total unplausibel, warum die religiösen Narrative und mythischen Erklärungen derart ausgeschmückt werden, und zwar so, dass eigentlich kein Mensch daran aufgrnud seiner Alltagserfahrung ernst in einem wörtlichen Sinne glauben kann.
|