Amazon Kindle 3 Review
Da ich meinen Kindle 3 nun bald schon 24h habe, wird es mal Zeit das versprochene Review zu schreiben (auch wenn klemmi grad "nirgendwo" ist); kann sein, dass sich wegen der kurzen Testzeit noch das eine oder andere herausstellt.
Dieses Review bezieht sich auf den Kindle 3 Graphite Wifi. Die etwas teurere 3G-Variante verhält sich ggf. etwas anders in Sachen Synchronisierung.
Technische Daten
Preis: 139$ exkl. bei Amazon.com (239 inkl. CHF bei digitec.ch)
Grösse:: 19,1 x 12,2 x 0,85 cm (ca. so gross wie eine DVD-Hülle, etwas dünner)
Gewicht: 241g
CPU: Freescale 532 MHz, ARM-11
Speicher: 4 GB interner Flash-Speicher (~800MB fürs Betriebsystem reserviert)
Akku: 1750 mAh (knapp 1 Woche mit Wifi, 2-3 Wochen Offline, Ewig im Standby)
Display: 6 Zoll (15,2 cm), 16 Graustufen, 800 x 600 Pixel, 167 ppi (etwa so gross wie ein Reclam-Büchlein).
Anschlüsse: Micro-USB, 3,5mm-Klinke.
Äusserer Eindruck
Der Kindle kommt in einer dekorierten, braunen Kartonbox daher. Darin befindet sich der Kindle, ein US-Stecker mit USB-Port zum Aufladen, das USB-Kabel selber, sowie ein gedruckter Quickstart-Guide.
Das Display an sich ist durchaus gelungen, meine erste Reaktion war, zu probieren den Display-Aufkleber mit dem Hinweis, wie man den Kindle einsteckt, zu entfernen, bis ich darauf gemerkt habe, dass das bereits die Displayanzeige ist (es ist ein E-Ink-Display, die Anzeige selber verbraucht daher keinen Strom. Da können die sich so ne Spielerei leisten). Die Auflösung selber ist für e-Books völlig ausreichend, bei PDFs hingegen sieht man bei kleiner Schrift dann doch noch einzelne Pixel. Aber 167 ppi sind ordentlich, das sind mehr als ein PC-Monitor normalerweise hat.
Unterm Display befindet sich eine kleine Qwerty-Tastatur, mit ein paar Sondertasten, sowie einem Steuerkreuz. Am unteren Rand befinden sich Laustärke- und Einschaltknopf. Auf beiden Seiten sind jeweils 2 Knöpfe zu vor- oder zurückblättern. Die Tastatur ist brauchbar, es sie enthält allerdings nur A-Z, sowie 0-9 über Tastenkombination. Für Sonderzeichen muss man mein Onscreen-Menü aufrufen, wo wir auch bereits beim ersten Kritikpunkt wären: Es gibt trotz "Symbol einfügen"-Feld keinerlei Möglichkeit, Umlaute einzugeben.
Homebildschirm
Der Startbildschirm ist recht simpel, er enthält eine Liste sämtlicher Bücher, die man nach Autor, Titel oder Benutzung sortieren kann. Dazu gibt es die Möglichkeit, die Bücher in Collections (ne Art Ordner, aber ein Buch kann in mehreren Collections sein) einzusortieren. Man erreicht den Homescreen jederzeit, in dem man auf den "Home"-Button drückt. Desweiteren hält der Kindle eine History der zuletzt gemachten Dinge, mit dem "Back"-Knopf kann man jederzeit zu den vorherigen Bildschirmen zurück, egal ob Browser oder Einstellungsdialog.
Lesefunktion
Die Kernfunktion des Kindle, nämlich die Leseapplikation, ist wirklich sehr gut umgesetzt. Schriftgrösse, Rotation etc sind leicht zugänglich, das Hinzufügen von Notizen oder Lesezeichen, Merken von Zitaten, Nachschlagen von Wörtern ist total einfach und schnell. Umblättern geht locker und zügig, das Lesen mit nur einer Hand über mehrere Stunden ist so echt kein Problem.
Lesefunktion - PDFs
Mit dem Kindle 3 hat Amazon die PDF-Lesefunktion weiter verbessert. Da man PDFs formatbedingt die Schriftgrösse nicht verstellen kann, ist es meistens notwendig, die Anzeige um 90° zu drehen, den Zoom auf "fit-to-width" zu stellen und das ganze im Querformat zu lesen, geht so dann aber ganz gut.
Die sonstigen Funktionen (Notizen, Lesezeichen etc) funktionieren wie bei normalen eBooks auch. Die Anzeige der PDFs geht flott, der Kindle unterstützt auch Links und Inhaltsverzeichnisse, generell ist alles sehr gut umgesetzt, bedenkt man, dass der kleine Bildschirm PDF-A4-Seiten nicht einfach wie ein 12"-PC-Monitor anzeigen kann. Störend ist lediglich, dass man beim Zoom (Stufen: 100% - 150% - 200% - 300%) schnell den Überblick verliert, wo man sich auf der Seite gerade befindet.
Webbrowser (experimentell)
Der Webbrowser ist im Menü "Experimental" zu finden, und das auch zurecht. Das Rendering mit WebKit ist zwar absolut in Ordnung, die Seite sieht gut aus und lädt schnell (gute Wifi-Konnektivität vorausgesetzt). Problem ist das langsame E-Ink-Display, was scrollen zur Unmöglichkeit macht. Die Bedienung des Browsers ansonsten geht mangels Maus oder Touchscreen ähnlich wie bei Opera Mini vonstatten, inkl. Reflow.
Bin daher froh, nicht doch das teurere 3G-Modell gekauft zu haben, denn Surfen macht damit wenig Spass. Zum mal was nachschlagen reicht es, möglicherweise auch zum Online-Texte lesen, aber für das Forum hier wo man viel scrollen muss ist es absolut ungeeignet.
Der Browser lässt lediglich HTTP/HTTPS zu, und lässt nur den Download von .azw/.prc/.mobi oder .txt Dateien zu. PDFs oder andere Dateien können mit dem eingebauten Webbrowser nicht gesaugt werden.
Zur WLAN-Funktion sei gesagt, dass diese offen/WEP/WPA-PSK/WPA2-PSK kann. Vermutlich kein WPA2-EAP, habs aber noch nicht getestet. Die Verbindungsqualität ist brauchbar, mein ThinkPad kriegt da eine deutlich stabilere Verbindung hin.
Hintergrund-Audio (experimentell)
Hat ebenfalls den Status verdient. Kein wirklicher MP3-Player, sondern spielt alle Lieder nacheinander ab und kann genau zwei Funktionen: "Play/Stop" und "nächstes Lied" (über globale Hotkeys steuerbar, also auch während dem Lesen). Nicht mal eine Anzeige, was gerade läuft, da kann sogar der iPod shuffle mehr. Hätte ich ein bisschen mehr erwartet. Kommt vielleicht noch.
Audiobooks/Hörbücher
Zu Unterscheiden von der Hintergrundmusik-Funktion ist die Funktion für Audio-Bücher. Diese werden wie gewöhnliche Bücher im Homescreen aufgelistet. Unterstützt werden DRM-Audible-Audiobooks, sowie (korrekt getaggte) MP3s. Für letztere gibt es aber keine Möglichkeit für Kapitelmarken, man kann nur in 30sec-Abschnitten umherspringen. MP4/AAC (für die gäbs Kapitelmarken - wie es der iPod macht) laufen nicht. Hätte ich ebenfalls mehr erwartet.
Text-to-Speech
Der Kindle 3 verfügt über ein englisches Text-to-Speech-System mit zwei Stimmen. Funktioniert ganz ordentlich. Man kann auch die Menüführung sprechen lassen. Die Ausgabe (für Musik gilt überigens das gleiche) funktioniert entweder über angeschlossene Kopfhörer, oder über die internen Boxen, die durchaus eine brauchbare Qualität haben (besser als mancher Handy- oder Laptop-Lautsprecher, die mir bisher untergekommen sind).
Lokale Synchronisation/Firmware-Update
Ein Pluspunkt des Kindle gegenüber anderen mobilen Geräten. Man braucht keine bescheuerte Software, sondern steckt den Kindle an und kann ihn als USB-Massenspeichergerät befüllen. Innerhalb der vorgegebenen Ordnerstruktur ("documents", "audiobooks" und "music") kann man auch selber Verzeichnisse anlegen. Diese werden vom Kindle aber ignoriert, er hat ja seine Collections-Funktion.
Zitate und Notizen werden in einer zentralen, menschen- wie maschinenlesbaren Textdatei gespeichert, und können daher auch jenseits den Kindle weiterverwendet werden. Der Lesefortschritt (wo man gerade ist) wird in einer separaten Binärdatei pro eBook gespeichert.
Updaten funktioniert ebenso. Update-Datei von Amazon.com herunterladen, reinkopieren, im Settings-Menü das Update starten, fertig. Der Kindle lädt sich mit Wifi je nach dem auch Updates selber runter (ob er sie auch selber installiert, weiss ich nicht).
Unterstützte Formate
Kurz noch ein Wort hierzu. Der Kindle unterstützt als eBook-Formate das proprietäre drm-aktivierte Kindle-Format (.azw), das halb-offene Mobipocket (.mobi, .prc - nur ohne DRM), Textdateien (.txt - diese können auch HTML enthalten, was die Leseapplikation dann teilweise unterstützt, lokale HTML-Dateien könne über den Webbrowser nicht mehr angezeigt werden, wie das beim Kindle 2 noch der Fall war), sowie PDFs (ohne DRM). Audiobücher können Audible (.aa, .aax) oder MP3 sein.
Nicht in der Liste sind daher aus mehreren Dateien enthaltene HTML-Seiten, sowie .epub-eBooks. Es gibt diverse Konvertierungssoftware, auch Amazon bietet für Linux (CLI, 32bit), Windows und OSX ein proprietäres Tool an, was diverse Formate nach .mobi konvertieren kann. Bei einfachen HTML-Seiten, sowie ungeschützten, aber komplexeren ePub-Dateien hab ich damit herausragende Resultate erziehlt. Komplexere HTML-Seiten wie z.B. die von Galieo Openbooks hingegen sind nicht so ne einfache Sache. Aber zumindest ePub geht einwandfrei.
DRM/Amazon-Bindung
Der Kindle kann mit einem Amazon-Konto verknüpft werden - muss aber grundsätzlich nicht. Alle bisher genannten Funktionen funktionieren ohne ein solches Konto. Loggt man sich auf dem Kindle ein, so stehen folgende Funktionen zusätzlich zu Verfügung: Kaufen von eBooks bei Amazon, Facebook- und Twitteranbindung, Senden von Dokumenten an den Kindle via Mail, Online-Backup und Online-Synchronisation mit anderen Kindles - getestet hab ich davon nich fast nichts.
Zwang zu DRM ist also keiner da, auch wenn überall nene Menüpunkt in den Amazon Store vorhanden ist, so lässts ich der Kindle mit drm-freien Büchern versorgen. Wer allerdings eBooks kaufen will, der wird bei Amazon vorwiegend englisch-sprachige Bücher finden (der Kindle selber ist auch komplett Englisch), und wer deutsche drm-geschützte ePub-Dateien kauft, kann diese weder auf dem Kindle anschauen, noch konvertieren.
Hackbarkeit
Die Software des Kindle basiert auf Linux und Java. Vom Linux-Teil ist der Quellcode veröffentlicht, für den Java-Stack meines Wissens nicht. Bei früheren Kindle-Versionen konnte man über eine serielle Schnittstelle auf dem Board eine Linux-Rootshell erhalten. Wie das beim Kindle 3 aussieht, ist meines Wissens noch ungeklärt.
Es gibt daher meines Wissens keine alternativen Firmwares. Software für den Kindle gibt es afaik ein paar kommerzielle über Amazon, Heimanwender können meines Wissens bisher keine eigenen Apps programmieren.
Ansonsten gibt es das eine oder andere versteckte Feature. Man kann z.B. nen Minesweeper und nen Riesen-Tic-Tac-Toe über undokumentierten Hotkey starten, oder einen Bilderviewer aktivieren, in man ein Verzeichnis auf dem Kindle erstellt und ALT+Z drückt. Auch ansonsten gibt es ein paar undokumentierte Diagnostik-Keykombinationen, mit denen man ein paar Systeminfos anzeigen lassen kann.
Fazit
Generell bin ich sehr zufrieden mit dem Gerät. Das Lesen darauf ist echt bequem, die Leseapplikation ist echt gut gemacht. Das Ganze ist in jeder Hinsicht absolut plattformunabhängig und es herrscht kein DRM-Zwang. Für Linuxer wie mich also perfekt.
Enttäuschend find ich hingegen allerdings die fehlende Eingabe von Umlauten (ansonsten kann der Kindle Unicode), die beiden Musikfunktionen sind ebenfalls ein schlechter Scherz und das E-Ink-Display ist zum Surfen nichts. Wer nen Surfgerät mit E-Book-Funktion braucht, muss dann wohl eher zu nem Tablet-Computer greifen. Dafür bietet E-Ink praktisch ewig Akku.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 18.09.2010 19:29 von gandro.)
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